Frage des Monats vom August 2012
? Was ist der Unterschied zwischen Nervenärzten, Neurologen und Epileptologen, und muss ich immer zu einem Epileptologen gehen?
Dr.med. Günter Krämer
Chefarzt und Medizinischer Direktor des Schweizerischen Epilepsiezentrums in Zürich

Dr.med. Günter Krämer Obwohl die jüngeren Fachärzte sich zunehmend zwischen Neurologie und Psychiatrie entscheiden, gibt es in Deutschland immer noch sehr viele sogenannte Nervenärzte. Dies sind Ärzte, die sowohl eine Facharztausbildung in Neurologie als auch in Psychiatrie haben.
Epileptologen, also Ärzte mit ausschließlicher Spezialisierung auf Epilepsie, gibt es praktisch nur in den großen Epilepsiezentren. Ohnehin ist die Bezeichnung "Epileptologe" bislang im Gegensatz zu "Neurologe" keine gesetzlich geschützte Facharzt- oder Schwerpunktbezeichnung.

Epileptologen sind fast immer auch Neurologen (oder haben eine andere Facharztanerkennung); umgekehrt sind die meisten Neurologen aber keine Epileptologen. Wichtiger als der Titel ist aber ohnehin die Frage, ob ein Arzt tatsächlich eine entsprechende Erfahrung in der Betreuung von Menschen mit Epilepsie hat. Um Betroffenen die Orientierung darüber zu erleichtern, vergibt die Deutsche Gesellschaft für Epileptologie entsprechende Anerkennungen sowohl für die Kliniken (Epilepsie-Zentren und zertifizierte Anfalls- bzw Epilepsie- Ambulanzen) als auch für niedergelassene Fachärzte (Schwerpunktpraxen für Epileptologie und Ärzten mit dem Zertifikat "Epilepsie plus"). Zu den aktuellen Adressen kann man entweder in regelmäßig aktualisierten Adressverzeichnissen (G.Krämer: Epilepsie-Adressen 2010/2011, Bad Honnef, Hippocampus Verlag) oder im Internet nachsehen bzw. bei der Geschäftsstelle der Deutschen Gesellschaft für Epileptologie nachfragen (Reinhardtstraße 14, 10117 Berlin, Tel. 0700 - 13141300, FAX 0700 - 13141399, E-Mail: liga@ligaepilepsie.de oder office@dgfe.info

Unter den Inhabern dieser Anerkennungen gibt es neben Neurologen auch noch andere Fachärzte wie Kinder- und Jugendärzte (sogenannte Neuropädiater) oder Psychiater. Ihnen gemeinsam ist ihr besonderes Interesse an Epilepsie.

Es ist traurig aber wahr, dass auch in Deutschland oder anderen europäischen Ländern viele Menschen mit Epilepsie noch nicht optimal behandelt werden. Dazu trägt auch bei, dass manche Neurologen die Patienten zu lange bei sich behalten und sie nicht an Spezialisten bzw Epileptologen überweisen. Ich sehe nach wie vor leider immer wieder Patienten, die über Jahrzehnte ihres Lebens eine falsche Diagnose hatten und falsch behandelt wurden. Dies kann sowohl bedeuten, dass die falschen Medikamente eingesetzt werden als auch, dass problemlos durch eine Operation behandelbare Patienten erfolglos mit vielen Medikamenten behandelt werden. Wären sie ihre Epilepsie vor 20 Jahren durch eine Operation "losgeworden", hätten sie mit hoher Wahrscheinlichkeit beruflich und privat ein anderes Leben geführt.

Daher gilt: Ist eine Epilepsie problemlos durch einen Neurologen behandelbar und es kommt zur Anfallsfreiheit ohne Nebenwirkungen der Medikamente, muss kein Epileptologe oder Epilepsiezentrum befragt werden. Ist die Behandlung aber nicht erfolgreich oder steht die Frage einer operativen Behandlung im Raum, sollte nicht erst nach 10 oder 20 Jahren, sondern spätestens nach 2-3 Jahren die Überweisung erfolgen. Das ist ihr gutes Recht als Patient, und darauf sollten sie bestehen! Haben sie keine Scheu, diesen Wunsch bei ihrem Arzt anzusprechen.

Anja Daniel-Zeipelt
Künstlerin, Autorin und "Botschafterin für Epilepsie"

Anja Daniel-Zeipelt Die Diagnose der Epilepsie hat weitreichende folgen für unser Leben. Das fängt bei der Berufswahl an und hört bei der Fahrerlaubnis auf. Eine Fehldiagnose könnte fatale Folgen für unser soziales Leben haben und manche Lebensrichtung dramatisch verändern.
Manchmal werden Epilepsien nicht erkannt und als psychisch eingestuft oder eine Herzkrankheit wird übersehen, weil eine Epilepsie diagnostiziert wird. Unter Umständen könnte dies schwere Folgen haben.

Des Weiteren verfügen Epileptologen in der Regel über geeignetere medizinische Geräte und Möglichkeiten zur Diagnose. Ich vergleiche das immer gerne mit dem Kochen. Ich koche seit 23 Jahren täglich eine warme Mahlzeit, habe meine Erfahrungen mit Garzeiten, Gewürzen und Zutaten gemacht, bin aber trotz allem keine Köchin, die diesen Beruf von der Pike auf gelernt hat, täglich ihren kompletten Arbeitstag hinter dem Herd verbringt und ein Vielfaches an Erfahrungen aufweisen kann. Dasselbe gilt für den Neurologen und Epileptologen. Der Neurologe hat vielleicht ein paar Epilepsiepatienten wöchentlich, daneben kümmert er sich täglich um eine Vielzahl anderer neurologischer Erkrankungen – viel Zeit für ein intensives Studium der Epilepsie wird ihm wohl kaum bleiben. Der Epileptologe dagegen beschäftigt sich ständig intensiv mit der Epilepsie und allen ihren Facetten. Er hat Gelegenheit, die Epilepsie zu erforschen, sie auch in allen ihren atypischen Formen zu erkennen und zu beobachten.

Das soll keine Bewertung der einzelnen Leistungen sein, sondern nur eine Differenzierung der einzelnen Leistungsmöglichkeiten. Wenn eine Epilepsiediagnose nicht sicher scheint oder die Behandlung, auch nach einem Jahr, nicht zufriedenstellend ist, würde ich einen Besuch beim Epileptologen empfehlen. Sollte die Diagnose gesichert und die medikamentöse Einstellung erfolgreich sein, kann der Neurologe die Behandlung weiterführen, da viele Epileptologen auch nicht immer in der Nähe ansässig sind. Ich persönlich habe die Kombination für mich entdeckt. Nach einigen Arztwechseln überwies mein jetziger Neurologe mich in eine Epilepsieklinik. Dort wurde die Diagnose und Behandlung überprüft und optimiert, während man mich genau beobachtete. Nach dieser Expertenmeinung behandelt mich mein Neurologe heute weiter. Ich habe vollstes Vertrauen in die Fachkenntnisse meines Epileptologen in der Klinik und gleichzeitig in die menschliche Betreuung meines Neurologen vor Ort. Die Verbindung von beidem stellte sich für mich als optimal heraus, da ich die Klinik bzw. die Epilepsiemabulanz nur mit sehr langen Anfahrtswegen hätte erreichen können.

Quelle: Günter Krämer, Anja Daniel-Zeipelt, "Epilepsie – 100 Fragen, die Sie nie zu stellen wagten" Hippocampus Verlag, Bad Honnef 2011

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